13
Mrz
2016

Nur Nichts leben ist günstiger.

Vor acht Jahren habe ich meinen persönlichen Ground Zero kennengelernt. Ich wollte nichts mehr sein, was ich einmal gewesen bin, aber auch nichts sein, was ich einmal werden könnte. Mich selbst einfach nullen, war der Anti-Plan, nichts, nada, niente. Ich war mir selbst zuviel geworden: Mutter, Geliebte, Texterin, Tochter, Geschäftspartnerin, Unternehmerin, Freundin. Aus die Maus. Ich bin keine Abenteurerin und habe diesen Lebenswunsch nicht Knall auf Fall durchgesetzt, und bin nach Rajasthan abgehauen. Nein, ich habe mein altes Leben – wie Feiglinge es tun – Millimeter um Millimeter von der empfindlichen Wunde darunter abgepellt. Wenn es zu sehr wehgetan hat, etwas loszulassen, habe ich gewartet, bis der Schmerz vorbei geht. Zum Beispiel als mein Sohn ausgezogen ist, weil er in eine WG schräg gegenüber ziehen wollte (so liebevoll kann Schicksal sein, als ich die Miete der grossen Wohnung bald nicht mehr bezahlen konnte). Im Jahr danach sind meine Tochter und ich in eine kleinere Wohnung gezogen, sie als Vorhut zuerst, allein, weil sie eben eine echte Abenteurerin ist. Und ich bin den letzten Monat als Geist in der alten Gartenwohnung herumgespukt, habe Kisten gepackt und Dinge entsorgt, Richtung Null. Auch mein Konto leerte sich zusehends, ich habe immer weniger getextet. Ich habe mein gut geöltes Netzwerk einfach nicht mehr alimentiert. Keine Telefonate, keine Feelgood-Gespräche, keine Abendessen und ziemlich schnell waren andere Texterinnen und Texter top-of-mind. Ich habe mich treiben lassen in eine Welt, die andere in der Pubertät mit der Musik kennenlernen, magisches Denken, Lucy in the Sky with Diamond. Was vielen durch Bands und Songtexten näher gekommen ist, habe ich in meiner Null-Bock-Odyssee mit mentalen Sessions, schamanischen Reisen, medialen Pfaden, Traumdeutung nach Freud und Melanie Klein kennengelernt: Innere Welten als Fluchtwege aus der Realität, die man nicht mehr will. Eskapismus. Esoterik, was auch immer! Lustigerweise sind sich alle Botschaften unter den sieben Schleier der Isis in einem einig gewesen: Alles ist gut. Die Zukunft wird gut. Zeit ist nicht wichtig. Der Druck der Angst meiner Familie war das Schwierigste auszuhalten. Sie ist nicht mehr sich selbst, mio Dio!!! Ich bin ein Kind der Arbeiterklasse und habe es von der Ghettoschlampe zur Goldküstenschnitte geschafft, mein Ehrgeiz, mein Tatendrang gehört zu mir. Nichtsdestotrotz habe auch ich das Recht zum Sozialfall zu werden, sagte ich mir immer wieder, wenn ich als selbständige Konzepterin untergehe, habe auch ich ein Netz mitgebaut, das ich nutzen kann. Trotz dieses drohenden Weltuntergangs habe ich zu Neuem manchmal ja gesagt, wenn es sich gut angefühlt hat: Ich habe einen Schrebergarten gepachtet, ich habe begonnene Kurse langsam zu einem Ende gebracht, einen Fachausweis als Dozentin, ein paar Diplome als Coach. Und wie das Leben so spielt, sind vor meiner Türschwelle immer wieder Anfragen angetrieben, zu denen ich ja gesagt habe. Einen Entspannungsabend anbieten, einen Texter-Bildungsgang planen, ein Schreib-Atelier beginnen, bloggen, ein Buch schreiben. Ich habe gemerkt, dass das was ich bin, nicht nur durch meinen Willen geschieht, sondern einfach geschieht. Meine Liebe hat nicht in erster Linie mit einem Gegenüber zu tun, ich liebe, weil ich liebe. Vor acht Jahren habe ich den Joker gezogen, und wollte nur noch Nichts. Doch mit meinem Nichts heute lässt sich gut leben.

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