Angst/Idee (1)
Seit mein Familiennest leer ist, hatte ich viel Zeit, über mich nachzudenken. Mein Leben gehört ganz mir seit circa zehn Jahren. Was für ein Reichtum, was für ein Frieden und was für eine Überforderung. Doch habe ich in den letzten Jahren diese als Herausforderung angenommen, das Beste draus gemacht und sehr viel über mich gelernt. Die gute Nachricht ist: Ich habe mich oft schlecht gefühlt, wenn es mir gut gehen sollte und das habe ich geändert. Ich habe mir so oft dabei zugesehen, dass ich meine Angststörung irgendwann selbst entdeckt habe. Über dieses Nachforschen möchte ich hier berichten, damit vielleicht auch andere ihre Angststörung besser erkennen lernen. Und daran arbeiten, vielleicht schreibenderweise, um so mehr vom Leben zu haben.
Angst-Flimmern
Ich bin nicht von einem Arzt mit einer Angststörung diagnostiziert worden, sondern von mir selbst. Sehr lange war meine Angst einfach ein willkommener Antrieb. Zum Beispiel, um für meine Liebsten mein Bestes zu geben, morgens super motiviert aufzustehen und einen kreativen Beruf mit unmöglichen Deadlines auszuüben. Meine Angst nicht zu bestehen, hat mich angetrieben, das Unmögliche möglich zu machen. Obwohl ich mich dadurch als eine Art WonderWoman fühlte, war die Strafe, nicht zu fühlen, was für mich echt war. Angst ist keine gute Lebensgrundlage. Sie ist ein Glitch.Nichts bleibt zurück. Wenn das Leben am Bildschirm stattfinden würde, ist die Angst das ständige Flimmern, das den Genuss unmöglich macht. Man sieht zwar genug, aber das Erleben ist irritiert. Dieser Störimpuls macht das Fühlen schwierig, das Aufnehmen unscharf, das Einschätzen zur Herkulesarbeit. Wie oft musste ich durch andere Augen schauen, um sicher zu sein, ob ich richtig fühlte. So wird man zum Over-Achiever, aber es heisst auch, meine Reaktionen bleiben fremd gesteuert.
Idee: Nacherzählen
Durch meine Arbeit als Coach habe ich gelernt, wie wertvoll es ist, zuzuhören und in denselben Worten, alles nochmals nachzuerzählen. Menschen hören sich selber selten zu. Wenn Sie es tun würden, wären sie überzeugter von sich und vieles wäre einfacher. So habe ich angefangen in Angst geschüttelten Zeiten, mir mein Leben nachzuerzählen. Ich stehe oft am gleichen Ort und habe vergessen, was ich alles schon geschafft habe. Ich greife durch das Nacherzählen, Etappe um Etappe, wieder auf meine Einsichten und Erfahrungen zurück und fühle mich gestärkt. Manchmal muss ich lachen, was die Angst für ein kleines, scheues Kind aus mir macht. Durch die Angst beflügelt habe ich grosse Stürme durchgestanden, doch diese Gewinne sind nicht zu meiner Identität geworden. Es ist, als wären sie von einer anderen Person bestanden worden. Durch das Geschichten erzählen, werde ich wirklich ich.